Verdachtskündigung

Verdachtskündigung: Der Verdacht muss durch konkrete Tatsachen belegt werden

Bloße Mutmaßungen und Vermutungen können den Vortrag von objektiven Verdachtsmomenten nicht ersetzen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 -

Eine Verdachtskündigung kommt nur in Betracht, wenn dringende, auf objektiven Tatsachen beruhende schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören. Voraussetzung der Verdachtskündigung ist daher ein schwerwiegender Verdacht, der sich aus den Umständen ergeben bzw. objektiv durch Tatsachen begründet sein muss. Bei einer kritischen Prüfung muss eine auf Indizien gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers bestehen. Bloße auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen daher zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus.


Sachverhalt:

Mehrere bei der Münchner Müllbeseitigung beschäftigte Müllfahrer waren mit ihren Fahrzeugen auffällig oft in Unfälle verwickelt. Der Arbeitgeber hatte den Verdacht, dass die Unfälle fingiert waren, um die beteiligten Haftpflichtversicherungen zu betrügen. Als die Sache aufflog und die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnahm, kündigte der Arbeitgeber unter anderem dem Kläger fristlos. Dieser zog vor Gericht - und gewann. Der Rechtsstreit ging durch drei Instanzen.

Entscheidung des Gerichts:

Das Bundesarbeitsgericht, welches in letzter Instanz zu entscheiden hatte, befand, es gebe keine hinreichenden Indizien, mit denen sich der Verdacht hinreichend begründen ließe, der Kläger habe vorsätzlich und in kollusivem Zusammenwirken Unfälle zu Lasten der beklagten Stadt bzw. des Kommunalversicherers verursacht.

Der Arbeitgeber hatte den Standpunkt vertreten, der dringende Tatverdacht ergebe sich aus den Gesamtumständen und beruhe vor allem auf dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und der gerichtlichen Durchsuchungsanordnung. Weitere eigene Ermittlungen habe er nicht durchführen müssen; sie seien ihm auch nicht möglich gewesen. Der Kommunalversicherer sei im Alleinbesitz der notwendigen Akten und verfüge über die erforderlichen Informationen.

Dieses Vorbringen hielt das BAG nicht für ausreichend. Aus den Darlegungen der beklagten Stadt ergäben sich keine ausreichenden Indizien für eine vorsätzliche - abgesprochene - Verursachung des Unfalls. Weder aus dem Unfallablauf noch aus dem eingetretenen Schaden an dem Fahrzeug des Unfallgegners ließen sich genügend Belastungsmomente für solch ein vertragswidriges und strafbares Verhalten gewinnen. Diese Aspekte seien für sich genommen "neutral". Sie lägen im Prinzip bei jedem nur fahrlässig verursachten Unfall vor, insbesondere wenn ein Schädiger unachtsam auf ein haltendes Fahrzeug auffahre.

Eine erhebliche Pflichtverletzung des Klägers hätte nach Auffassung des Gerichts allerdings dann angenommen werden können, wenn der Unfall mit dem Unfallgegner (Geschädigten) - oder mit einem Kollegen oder anderen Dritten - "abgesprochen" worden wäre. Für einen entsprechenden Verdacht habe die Beklagte jedoch keine konkreten Tatsachen dargetan. Bloße Mutmaßungen und Vermutungen könnten den Vortrag von objektiven, hinreichenden Verdachtsmomenten nicht ersetzen. Für eine mögliche Absprache zwischen dem schädigenden Kläger einerseits und dem Unfallopfer andererseits (bzw. weiteren Personen, die an anderen Unfällen beteiligt waren) habe es an einem konkreten Sachvortrag gefehlt.

Schließlich, so merkt das BAG an, habe die Beklagte auch keine weiteren relevanten Indizien zur Begründung eines dringenden Tatverdachts vorgetragen. Ein solcher könnte sich u.a. aus einer signifikanten Häufung von Unfällen mit bestimmten Unfallgegnern und bei Vorliegen bestimmter - untypischer - Unfallkonstellationen ergeben. Der Unfall, den die Beklagte zum Anlass für die Verdachtskündigung genommen hatte, weise eine solche signifikante Typik nicht auf und reiche deshalb allein nicht aus, einen dringenden Tatverdacht für eine entsprechende erhebliche Pflichtverletzung im Entscheidungsfall zu begründen.

Warum war der Arbeitgeber in allen drei Instanzen unterlegen?

Der Arbeitgeber hatte keine Fakten vorgetragen und unter Beweis gestellt, sondern sich lediglich auf "Gesamtumstände" und auf das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren berufen. Dies sind keine "harten Fakten". Das BAG gibt in den Entscheidungsgründen sogar Hinweise darauf, mit welchem Vortrag der Arbeitgeber hätte obsiegen können. Obgleich die förderlichen Argumente scheinbar auf der Hand gelegen haben, hat der Arbeitgeber es versäumt, diese in den Prozess einzuführen.



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